Foto: Stefanie Anderson. >>Mehr Fotos dieser Serie
Vor- und Nachteile eines Traumjobs
Dass die freie Trauung im Verhältnis zur kirchlichen Trauungszeremonie auf dem Vormarsch ist, ist schon längst kein Geheimnis mehr. Menschen treten aus der Kirche aus, sind bereits einmal geschieden oder wünschen sich einfach nur eine sehr individuelle Trauung an einem ganz besonderen Ort ihrer Wahl. Dies sind nur einige wenige der Gründe, aus denen immer mehr Menschen die freie Trauung der kirchlichen Zeremonie vorziehen. Eine aktuelle Studie der Kartenmacherei hat ergeben, dass wenn man die Summe der kirchlichen und freien Trauungen in Deutschland betrachtet, im Jahr 2021 bereits jede zweite Trauung eine freie Zeremonie ist. Diese Entwicklung haben wir zum Anlass genommen, um uns den Beruf des Trauredners einmal etwas näher anzuschauen.
Was sind die schönen Seiten dieses Berufs? Welche Nachteile gibt es, die man bei der Berufswahl berücksichtigen sollte? Und welche Voraussetzungen sollte man mitbringen um als Trauredner*in selbst glücklich zu werden und andere Paare glücklich zu machen.
Wir haben Anja Kellersmann gefragt, eine Frau, die als „alter Hase“ in der Branche diesen Beruf in all seinen Facetten kennt. Sie und ihr Team von freien Redner*innen führen seit vielen Jahren freie Trauungen durch und bilden zudem freie Redner*innen mit IHK-Zertifikat aus.
PlanMy.Wedding:
Mit Deinem Projekt RedeKunstWerk bildest Du mit einem Redner-Kollegen und drei weiteren Dozenten Interessierte zu IHK-zertifizierten Trauredner*innen aus. Aus welchen beruflichen Richtungen kommen die Menschen, die sich für den Beruf des freien Trauredners interessieren?
Anja:
Das ist für uns selbst extrem spannend zu sehen. Während „meine“ Redner-Generation, die jetzt schon einige Jahre tätig ist, viel aus Hochzeits-, Künstler- oder Schreibberufen hervorgegangen ist, kommen die Interessent/innen jetzt aus allen möglichen Berufsgruppen. Wir haben kaufmännische Angestellte dabei, Pädagog*innen, Versicherungsagent*innen, Physiotherapeut*innen, Vertriebler*innen – es gibt nichts mehr, worüber ich mich noch wundere. 😉 Der Grund könnte allerdings auch darin liegen, dass inzwischen sich einige Teilnehmer/innen vorrangig auch für den Beruf des/der TRAUER-Redners/in interessieren. Das ist ein Markt, der gerade erst erschlossen. Wir haben diese Disziplin mit aufgenommen, da sie zum Berufsbild Freie/r Redner/in dazugehört und im Rahmen des IHK-Zertifikats-Tests auch geprüft wird.
Anja Kellersmann ist die Gründerin der Glücksagenten und bereits seit dem Jahr 2008 in der Hochzeitsbranche aktiv. Mit einem wachsenden Team von Rednerinnen, ihren „Glücksagentinnen“, in Hamburg, NRW und Niedersachsen führt sie individuelle, authentische freie Trauungen für „ihre Brautpaare“ durch. Mit ihrem neuen Projekt RedeKunstWerk bietet Anja darüber hinaus einen Lehrgang für Freie Redner*innen mit IHK-Zertifikat an.
PlanMy.Wedding:
Was sind die häufigsten Beweggründe für Eure „Lehrlinge“, diesen Weg einzuschlagen?
Anja:
Sehr häufig ist es der Grund, der auch mich in die Hochzeitsbranche geführt hat. Fast alle suchen nach einer Art Erfüllung in ihrer Tätigkeit. Wir haben einige Teilnehmerinnen dabei, die in dem Beruf der Freien Rednerin im Alter von Mitte 40 noch einmal DIE Chance für ihre lang ersehnte Umorientierung sehen. Manchmal geht es auch um die nebenberufliche Tätigkeit für einen Ausgleich zum Hauptberuf, aber mit dem gleichen Hintergrund, zufriedener zu sein.
PlanMy.Wedding:
Wie fühlt sich das an, so unterschiedliche Teilnehmer ganze acht Tage lang auf diesen gemeinsamen Weg zu führen?
Anja:
Wir führen wahnsinnig offene, ganz tolle Gespräche und merken ganz stark, wie groß die Freude ist, wenn sich jemand für die Ausbildung anmeldet. Wir sind auch mit allen per Du, weil wir ein möglichst entspanntes Seminar-Umfeld schaffen wollen. Dadurch bauen wir schon im Vorhinein mit allen eine Form von Beziehung auf, welche die Vorfreude noch steigert – tatsächlich auch bei uns. Wir haben ganz tolle Gruppen-Zusammenstellungen, auf die wir uns richtig freuen.
Hörproben Glücksagenten
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von w.soundcloud.com zu laden.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von w.soundcloud.com zu laden.
PlanMy.Wedding:
Wie viele Trauredner*innen bildet Ihr pro Jahr aus?
Anja:
Da wir selbst noch als freie Redner hauptberuflich tätig sind und das auch bleiben wollen, bieten wir pro Jahr nur drei Lehrgangs-Durchläufe an. Pro Lehrgang begrenzen wir die Teilnehmer-Zahl auf 12, um auf jeden individuell eingehen zu können.
PlanMy.Wedding:
Angenommen, jemand ist sich noch nicht sicher, ob er/sie Trauredner*in werden möchte. Welche Fürs und Widers Deines Berufs würdest Du dieser Person nennen, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern?
Anja:
Dann fange ich mal mit den Fürs an.
1. Glück und Zufriedenheit
Man bekommt so viel Wertschätzung entgegengebracht und Dankbarkeit, und es ist ein unbeschreiblich tolles Gefühl, so wichtige Lebensfeiern in so wichtiger „Position“ begleiten zu dürfen. Mich macht das wirklich sehr glücklich.
2. Kollegiales Umfeld
Ich erlebe ein ganz tolles kollegiales Umfeld, was ich als wertvoll empfinde. Ich habe tatsächlich den Eindruck, in der Hochzeitsbranche arbeiten nur freundliche Menschen.
3. Flexibilität
Für mich persönlich ist es auch wertvoll, dass ich im Home Office arbeiten und meine Zeit flexibel einteilen kann (außer an Samstagen 😉). Theoretisch kann ich meinen Beruf an jedem beliebigen Ort ausüben. Es kommt vor, dass ich mein Notebook mit den in Urlaub nehme, um mir an Regentagen die Zeit mit einer Trauung zu vertreiben, und das macht dann auch noch Spaß. Das Wertvollste an meinem Beruf ist tatsächlich, dass es sich nie so richtig wie Arbeit anfühlt (außer an Buchhaltungstagen).
PlanMy.Wedding:
Und die Widers?
Anja:
1. Wochenendarbeit
Wer in Vollzeit als Trauredner*in arbeiten möchte, sollte sich bewusst machen, dass die freien Wochenenden sich extrem stark reduzieren. Es sind nicht nur die Hochzeiten, die überwiegend an Samstagen gefeiert werden, sondern auch Traugespräche finden oft am Wochenende statt – wenn man sich denn darauf einlässt. Einfach mal einen Auftrag abzulehnen, um sich ein Wochenende freizuhalten, ist nicht immer einfach. Wer mit einem*r Partner*in zusammenlebt, gar mit Kindern, sollte sich deren/dessen Rückhalt sichern. Zudem sind die Samstage teilweise mit einem Vorlauf von 1,5 Jahren gebucht. Das bedeutet, dass man Veranstaltungen, zu denen man zu einem späteren Zeitpunkt selbst privat eingeladen wird, möglicherweise nicht wahrnehmen kann.
2. „Selbst und ständig“
Dann der Klassiker: selbständig = selbst und ständig…. Das muss man wollen. Dabei geht es nicht nur um ständige Erreichbarkeit. Man trägt auch für den eigenen Erfolg selbst die Verantwortung. Man muss ein eigenes Gewerbe aufbauen, sich selbst vermarkten, Akquise betreiben, den Markt beobachten, netzwerken, sich um Buchhaltung und Steuersachen kümmern, alle Entscheidungen selbst treffen … wie überall gehört einiges mehr dazu als im Fall der Trauredner*innen „nur“ schöne Worte. Darin findet man die Erfüllung dann nicht unbedingt, das sollte man sich bewusst machen.
3. Übermäßiger Einsatz
Und gerade in diesem Beruf ist es wichtig, ein bisschen auf sich aufpassen, damit der eigene Einsatz für ein Brautpaar sich noch im vertretbaren Rahmen bewegt. Bisweilen müssen wir Grenzen setzen, denn spätestens nach dem Traugespräch sind wir für so manche Braut eine wichtige Bezugsperson. Andererseits liegen einem die Kunden ja selbst am Herzen, und man möchte für sie den perfekten Tag gestalten. Wird eine Trauung z. B. wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben, passe ich die bereits geschriebene Rede auf die neue Situation an und erfrage auch, was dieses eine Jahr mit der Paar-Beziehung gemacht hat. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit, die ich nicht einmal gesondert nachberechne. Mein Mann schüttelt darüber den Kopf, denn unter finanziellen Gesichtspunkten macht das natürlich keinen Sinn.
PlanMy.Wedding:
Ja, das mit dem übermäßigen Einsatz von Anbietern für ihre Brautpaare ist weit verbreitet … aber das macht die Branche ja auch so schön, liebenswert und besonders. Geht nicht gibt’s nicht, jeder brennt für die Sache und tut alles, um den Brautpaaren das bestmögliche Ergebnis abzuliefern.
Zum Abschluss noch eine letzte Frage, liebe Anja:
Gibt es etwas, was Du in Deinem Beruf noch nicht gemacht hast, aber gern noch machen würdest?
Anja:
Die Berge mag ich sehr, eine Trauung irgendwo in den Alpen wäre schön oder vielleicht auch inmitten von Weinbergen. Vielleicht nimmt mich mal jemand dorthin mit.
Ein Heißluftballon wäre auch reizvoll, da wäre ich sofort dabei. Das wäre auch eine tolle Symbolik, zusammen in den siebten Himmel zu fliegen oder zumindest Richtung Wolke 7. Aber das wäre dann wieder nur ohne Gäste möglich.
Ein Zirkuszelt fänd ich ganz toll. So ein knalliges und bunt gestreiftes Wedding Circus Thema würde bestimmt Spaß machen. „Alice im Wunderland“ fänd ich auch spannend. Da könnte man die Gäste die ganze Zeit verblüffen mit lauter verrückten Dingen. Die würde ich mir super gern auch für die Trauzeremonie ausdenken.
Und vor dem vergangenen Jahr hätte ich eigentlich damit gerechnet, dass mehr Hochzeiten ein Zwanziger-Jahre-Thema mitbringen. Aber so golden waren unsere ersten beiden Zwanziger ja nun leider nicht. Schade, denn da hätte ich mich kleidungs- und frisurtechnisch sehr gern mal um hundert Jahre zurück stylen lassen. Ich fürchte nur, dazu wird es nicht mehr kommen.
PlanMy.Wedding:
Okay, liebe Brautpaare da draußen, jetzt wisst Ihr, womit Ihr Anja eine echte Freude machen könnt und dabei noch eine megatolle Trauung habt.
Vielen Dank, liebe Anja, für die interessanten Einblicke in dieses Berufsbild. Vielleicht hast Du damit dem Einen oder Anderen eine neue Perspektive eröffnet, was schön ist.
Und liebe Leute, die Ihr Euch für den Beruf des Trauredners interessiert: Um in der Hochzeitsbranche Fuß zu wassen, muss man seine Wochenenden hergeben – ganz klar. Aber – und das können wir alle aus langjähriger Erfahrung und tiefstem Herzen bestätigen – man bekommt so viel Schönes und Unvergessliches zurück, dass es sich unterm Strich einfach gut anfühlt. Und ist das nicht die Hauptsache?